Atemlos durch die Zeit

Atemnot schädigt Herz und Hirn sowohl beim Menschen, als auch in einer Gesellschaft. Das Atmen zu pflegen ist eine subtile Rebellion zur dringend nötigen Verzögerung der Zeit. Nun dann haben wir als Menschheit Gegenwart und Zukunft. Von Michael Karjalainen-Dräger

Nicht erst seit gestern lassen wir uns von globalen Ereignissen in Atem halten, das geht schon eine ganze Zeit so. An den Heranwachsenden lassen sich die Auswirkungen dieser gesellschaftlichen Atemlosigkeit sehr gut erkennen; aber seien wir ehrlich: auch wir „Volljährige“ sind schon längst in der anaeroben Phase angelangt. Während als ADHS benannte Ruhelosigkeit und als Autismus diagnostizierte Abkehr vom Wahnsinn dieser Welt junge Menschen wie Seuchen befallen, sind es bei den Erwachsenen Burnout, Schlaflosigkeit und Depression.

Mit der dadurch auftretenden „Atemnot“, die letztlich auch zur Beeinträchtigung oder zum Ausfall wichtiger Organe, wie etwa Herz und Hirn führt, lassen sich Gegenwart und Zukunft allerdings nicht konstruktiv gestalten. Wer aber ist bereit, die Stopp-Taste zu drücken? In Michael Endes „Momo“, das Anfang der 1970er-Jahre entstanden ist, wird unsere Zeit bereits bestens beschrieben. Die titelgebende Protagonisten kann die Welt und die gehetzten Menschen erst retten, als alles bis auf sie in Zeitlosigkeit erstarrt. Was für eine Prophetie.

Die Bedeutung des Atems ist uns allen viel zu wenig bewusst, weil wir diesen gerne in die Eso-Ecke stellen – sehr zu unserem Schaden. Mit einem Atemzug beginnt das irdische Leben und mit dem letzten endet es. Das Atmen zu pflegen hat tiefgreifende Auswirkungen auf Körper, Geist und Psyche. Es ist nicht mehr und nicht weniger als die subtile Rebellion zur nötigen Verzögerung der Zeit und daher uns allen dringend ans Herz gelegt.