Eine kritische Betrachtung der Geschichtsschreibung im 2. Weltkrieg – Von Peter Hänseler (Teil 1/3).
Autor: Peter Hänseler. Dieser Beitrag wurde mit dem Pareto-Client geschrieben. Sie finden alle Texte der Friedenstaube und weitere Texte zum Thema Frieden hier. Die neuesten Pareto-Artikel finden Sie auch in unserem Telegram-Kanal.
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Es gibt handfeste Gründe, warum Deutschland auf der schiefen Bahn ist. Fehlendes, oder besser, falsches Geschichtsbewusstsein ist einer der Hauptgründe und wird in Deutschland ungern besprochen. Ein Artikel, der sich an Peter Hänselers Rede bei «Mut zur Ethik» anlehnt.
Einleitung
Peter Hänseler durfte anlässlich der «Mut zur Ethik» – Konferenz, welche vom 29. bis zum 31. August in Sirnach, Schweiz, stattfand, zum Thema «Was Deutschland von Russland lernen könnte» sprechen. Dieser Artikel basiert auf jener Rede.
Die Europäische Arbeitsgemeinschaft „Mut zur Ethik“ ist ein internationales Forum, das seit Anfang der 1990er-Jahre jährlich in der Schweiz eine große Tagung veranstaltet, und sich als ein Kreis von Persönlichkeiten aus verschiedenen Ländern Europas (und darüber hinaus) versteht, die sich für eine am Menschen orientierte, wertegebundene Ethik einsetzen. Sie legt besonderen Wert darauf, in gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und pädagogischen Fragen nicht ideologischen Strömungen zu folgen, sondern Orientierung an einer „objektiven Ethik“ zu suchen.
Kommt darauf an, wen man fragt
Würde man etwa Friedrich Merz fragen, was man von den Russen lernen könnte, so wäre die Antwort sicher folgende: «Nichts!». Der deutsche Bundeskanzler ist so sehr von sich überzeugt, dass er nicht merkt, auf welch schiefer Bahn sich dieses einst großartige Land der Dichter und Denker befindet, das noch vor ein paar Jahren Exportweltmeister war. Zustimmungsrate dieses Bubis: Lediglich 21% sind mit Merz zufrieden.
Dies ist ein Hinweis dafür, dass sich dieser geistige Zwerg in einem langen Körper als neuen Führer sieht, denn ein Führer schert sich nicht um Zustimmungsraten. Vor kurzem kam folgender Satz über die Lippen dieses Kanzlers – man mag es gar nicht glauben:
«In Teilen unserer Bevölkerung gibt es eine tiefsitzende Kriegsangst. Ich teile sie nicht, aber ich kann sie nachvollziehen.»
Als ich dieses Thema mit deutschen Freunden besprach, war die Stimmung eingetrübt, denn zu den irrsinnigen Politikern, die in Deutschland Tradition haben, kommt hinzu, dass das Volk die Schieflage offensichtlich auch diesmal nicht zu erkennen vermag oder gewillt ist, dies zu tun. Mit folgendem Bonmot erzeugte einer meiner engsten Freunde dennoch einen Lacher: «Das deutsche Volk schläft im Stehen.»
Wer aus dem Vergangenem nicht lern – lässt die Geschichte wiederholen
Wenn man sich mit seiner Geschichte nicht ehrlich und kritisch auseinandersetzt, wird man immer wieder die gleichen Fehler begehen. Anders als bei Mark Twain reimt sich die Geschichte bei solchem Verhalten nicht, sondern wiederholt sich. Das betrifft übrigens nicht nur Staaten, sondern auch Menschen. Wir alle machen Fehler, viele Menschen lernen daraus, Dummköpfe jedoch nicht – sie machen immer wieder die gleichen Fehler. Diese Verhaltensmuster erkennt man auch an sich selbst – und noch viel öfter bei anderen. Der berühmte Blick in den Spiegel ist somit ein Hilfsmittel, das im Privaten und in der Geopolitik gleichermaßen wertvoll ist – oder sein könnte.
Geschichtsbewusstsein beginnt bei der Sprache
Ich verwende den Begriff «Geschichtsbewusstsein», weil ich es für das beste Gegenmittel gegen das Wiederholen von Katastrophen erachte. Geschichtsbewusstsein setzt jedoch beim Betrachten der eigenen Geschichte viel Skepsis voraus und bereits darin sind die Russen Weltmeister. Die Russen glauben gar nichts, was ihnen erzählt wird, weder von Geschichtsbüchern, noch von Medien, noch von Regierungen – und sei es die eigene. Die Russen haben die natürliche Fähigkeit, alles was ihnen zugetragen wird, zu hinterfragen – also auch ihre eigene Geschichtsschreibung. Das führt zu Diskussionen und je vielschichtiger die Meinungen in solchen Diskussionen sind, umso gesünder ist das Ergebnis. Mir ist nicht wichtig, ob etwa Stalin von einem Kollegen nach Abwägung aller Faktoren als positive oder negative Person gesehen wird, die Diskussion an und für sich lässt die Chancen, dass negative Vorkommnisse sich in der Zukunft wiederholen können, eindeutig sinken.
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Menschen sind keine Ungeheuer – das wäre zu einfach
Es ist sehr bequem, zu bequem, Adolf Hitler und Josef Stalin als schlimmste Figuren aller Zeiten zu bezeichnen und sie in die gleiche Schublade zu verbannen, die das Etikett «Ungeheuer» trägt. Denn, mit Ungeheuern muss man sich nicht beschäftigen, mit Menschen schon. Aber beide dieser historischen Figuren waren Menschen und haben nicht nur ihre Heimatländer, sondern die gesamte Welt nachhaltig geprägt. Somit ist es notwendig, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um sie zu verstehen, falls man sicherstellen möchte, dass sich die Geschichte nicht wiederholt.
In Russland wird Joseph Stalin nicht als Ungeheuer angesehen, sondern als wichtige historische Figur, die einen enormen Einfluss auf das Land hatte. Er ist durchaus höchst umstritten und die Ansichten und die Reaktionen über ihn sind teilweise widersprüchlich. Ihre auf Skepsis beruhende Fähigkeit zu einer unvoreingenommenen Diskussion selbst derart emotional schwieriger Themen lässt die Russen jedoch auch historisch belastete Themen mit Respekt, Würde und Achtung vor der Geschichte behandeln.
Die Urgroßtante meiner verflossenen Ehefrau etwa wurde von Stalin in den Dreißigerjahren wegen einer Lappalie zu 15 Jahren Lagerhaft in Sibirien verurteilt. Sie überlebte diesen Alptraum und kehrte zurück in die Gesellschaft. Als Stalin ein paar Jahre später starb, weinte sie wie ein Schlosshund über dessen Tod. Das erachten wir im Westen als widersprüchlich, denn dieses Verhalten ist überraschend und zeigt, wie eng das Positive und Negative mit einer Person verknüpft sein kann.
Auf der einen Seite ist man mit beinahe grenzenloser Brutalität konfrontiert. Auf der anderen Seite stehen die großen Leistungen von Stalin. Zwei Leistungen stechen hervor: Stalin war für die rasche Industrialisierung der Sowjetunion verantwortlich. Dabei zeigte er eine Weitsicht und Genauigkeit in der Analyse, die geradezu unheimlich erscheinen kann.
Weiter verwandelte seine Führungsrolle im Zweiten Weltkrieg eine Beinahe-Niederlage in ein Obsiegen, da er die Bevölkerung zusammenhielt, zu übermenschlichen Leistungen motivierte und – im Gegensatz zu Hitler – die richtigen militärischen Führer entscheiden ließ. Der Sieg wurde teuer erkauft, aber er gelang.
Für einen Westler sind diese unbestrittenen Leistungen vor dem Hintergrund der riesigen hinterlassenen Leichenberge schwer zu vermitteln. Dennoch, die heftige Diskussion über Stalin in Russland, eine sehr anstrengende und teilweise auch unerfreuliche Debatte, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Zukunft eine Wiederholung der grauenhaften Aspekte der Stalin-Herrschaft verunmöglichen.
Die Diskussion in Deutschland über Hitler wuchs nie über die Beschreibung des Ungeheuers hinaus. Es war bequemer, dieses «Ungeheuer» unter den Teppich zu kehren und alles, was mit ihm zusammenhing flach zu machen. Würde der Obersalzberg und die Reichskanzlei noch stehen, so wären sich die Deutschen etwa des Größenwahns Hitlers bewusst – nichts von volksnah.
Im letzten Jahr besuchte ich die Datscha von Stalin in Sotschi und war über die Einfachheit seiner Wohnräume überrascht. Auch seine Arbeitsräume im Moskauer Kreml waren keineswegs pompös.
Bis Mai 1945 wurden die Deutschen von Joseph Goebbels angelogen, dann von anderen. Der Umstand, dass diese Lügen das Geschichtsverständnis der Deutschen richtiggehend zerstört haben, werden wir nun anhand einiger Beispiele erörtern.
Die USA brauchten nach den Nazis einen neuen Feind
Krieg ist ein hochprofitables Geschäft – für wenige
Der Normalbürger betrachtet Krieg aus der Sicht der Massen und sieht ein Bild von Zerstörung, Toten und Entbehrung. Die Geldeliten eines Landes sehen dies jedoch komplett anders. Krieg ist ein riesiges Geschäft und die Geldmengen, welche für kriegsnotwendige Güter ausgegeben werden, sind astronomisch, die Gewinnmargen für die daran Beteiligten himmlisch. Als sich um 1943 abzeichnete, dass Deutschland den Krieg verlieren würde, machten sich die Geldeliten in den USA bereits Sorgen darüber, dass bei Ausbrechen des Friedens der ganze Geldsegen, der ihnen durch die gigantischen Rüstungsaufträge zuflossen, versiegen könnte. Diese Eliten waren nicht nur sehr reich, sondern hatten einen riesigen politischen Einfluss, denn neben der Fähigkeit, Rüstungsgüter herzustellen, benötigt man auch den Einfluss, diese durch politischen Einfluss und Korruption verkaufen zu können. Damit war der militärisch-industrielle Komplex geboren.
Roosevelt wollte nachhaltigen Frieden – andere nicht
Roosevelt und Stalin hatten ein gutes Arbeitsverhältnis. Dass Roosevelt Stalin «Onkel Joe» nannte, war wohl reine Propaganda, aber das gute geopolitische Verhältnis beruhte darauf, dass Stalin Wort hielt; er war ein zuverlässiger Verbündeter. Zudem trugen die Russen die Hauptlast des Kriegs gegen Hitler. Roosevelt strebte nach dem Krieg einen nachhaltigen Frieden an. Ein zweites Versailles kam für ihn nicht infrage. Seine Absicht war, Deutschland und die Sowjetunion wieder aufzubauen und beiden Parteien hälftige Hilfe zukommen zu lassen. So viel zu den Plänen von Roosevelt.
Frieden ist jedoch kein gutes Geschäftsmodell für den militärisch-industriellen Komplex. Da der Gesundheitszustand von Roosevelt bereits 1944 so schlecht war, dass man richtigerweise davon ausging, dass Roosevelt zwar wiedergewählt, das Ende seiner vierten Amtszeit jedoch nicht erleben würde, suchte man einen geeigneten Vize-Präsidenten – eine Marionette. Diese fand man in der Person von Harry S. Truman. Das Problem für die Gruppe war nun, den äußerst liberalen, beliebten und auf Frieden getrimmten Vizepräsidenten Henry Wallace abzuschießen, der die Strategie Roosevelts weitergeführt hätte und dem militärisch-industriellen Komplex somit im Wege stand. Dieses Unterfangen gelang schließlich, indem man zu höchst schmierigen Mitteln griff. Roosevelt wurde unter Druck gesetzt. Obwohl Henry Wallace absolut intakte Chancen hatte, gewann Truman die “Wahl”.
Diese «Wahl», die keine war, wurde von Oliver Stone in seiner großartigen Serie «The Untold History of he United States» 2012 im dritten Teil der Serie beeindruckend dargestellt und analysiert. Die Dokumentation, welche von “Showtime” produziert wurde und anfangs auch auf Netflix zu sehen war, wurde bereits vor Jahren von den großen Streaming-Portalen verbannt: Zu brisant und zu ehrlich wird die Geschichte der Vereinigten Staaten von Oliver Stone dargestellt. Diese Wahrheit sollte man niemandem zumuten. Ich empfehle jedem Leser, diese Serie anzuschauen. Befragt man das Internet über diese «Wahl», so lügt einem KI noch heute vor, dass dies eine richtige Wahl war. Ein Hinweis dafür, dass dieses Schmierentheater vor 80 Jahren die Weltgeschichte nachhaltigst beeinflusste und es den Mächtigen noch heute wichtig erscheint, die Wahrheit unter dem Deckel zu halten.
Fortsetzung folgt…
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