Der Krieg in unseren Köpfen

Ein Essay über die kriegstüchtige Propaganda bei fast allen politischen Themen – von Norbert Häring. (Teil 2 von 2).

Autor: Norbert Häring. Dieser Beitrag wurde mit dem Pareto-Client geschrieben. Sie finden alle Texte der Friedenstaube und weitere Texte zum Thema Frieden hier. Die neuesten Pareto-Artikel finden Sie auch in unserem Telegram-Kanal.


Die neuesten Artikel der Friedenstaube gibt es jetzt auch im eigenen Friedenstaube-Telegram-Kanal.


Dieser Beitrag erschien zuerst hier.

Das ist Teil 2 des Essays von Norbert Häring. Lesen Sie hier Teil 1.

Die Lehre für den Widerstand

Eine Problemdiagnose, die unsere Neigung zur Einteilung der Welt in gut und böse als das Grundproblem sieht, zusammen mit der Illusion, durch einen Sieg gegen das Böse die Welt besser machen zu können, führt zu einem Therapievorschlag, der für viele ungewohnt ist und naiv erscheinen mag. Die Maxime lautet: Wer für eine bessere Welt kämpft, indem er jemand oder etwas bekämpft, der hat den Kampf schon verloren. Wer das Feindbild AfD durch das Feindbild Grüne ersetzt, und diese bekämpft, wird die Welt kein bisschen besser machen. Wenn ein zuvor bekämpfter Trump an die Macht kommt und in den Krieg gegen die Woken und die Minderheiten zieht, die ihn vorher bekämpft haben, wird die Welt nicht besser. Wenn er aufhört, Russland zu bekämpfen, um sich besser dem Kampf gegen China zuwenden zu können, auch nicht.

Das heißt nicht, dass man nicht kämpfen und sich nicht wehren sollte. Zur Selbstverteidigung, wenn man tatsächlich bedroht und angegriffen wird, sei es von einem externen Feind, sei es von einem übergriffigen Staat, sollte man sich durchaus wehren. Aber nicht um seinerseits ein paar Bösewichte zu bekämpfen und besiegen zu wollen, damit dadurch die Welt besser werde, heißen sie nun Habeck oder Weidel, Merz oder Wagenknecht, Trump, Macron oder Orban. Auch der Kampf gegen diejenigen, die vermeintlich im Hintergrund die Fäden ziehen, ist müßig. Jeder einzelne von diesen ist ein entbehrlicher Diener eines in langer Reifezeit gewachsenen und etablierten Systems, das die Ergebnisse hervorbringt, gegen die wir aufbegehren wollen. Es ist ein System, das von der Mehrheit unserer Mitbürger zwar vielleicht für mangelhaft, aber doch für das beste realistisch erreichbare gehalten wird. Solange das so ist, werden wir mit einem Kampf gegen die Exponenten dieses Systems nichts ausrichten.

Das System ist der Gegner

Wenn wir unseren Kampf gegen Repräsentanten des Systems richten, wenn wir ihnen moralische Verderbtheit und böse Absichten unterstellen, und damit indirekt so tun, als würde es etwas helfen, wenn wir sie besiegen würden, dann spielen wir ein Spiel mit, dessen Regeln darauf abzielen, das System, dem sie dienen, unsichtbar zu machen und aus der Schusslinie zu nehmen.

Der Kampf gegen „Rechts“ erlaubt es den maßgeblichen Organisationen der vorgeblich Linken und der angeblichen Mitte, die schon lange eine Politik betreiben, die nach traditionellen Maßstäben rechts und elitenfreundlich heißen würde, sich als Interessenwahrer des gemeinen Volkes darzustellen. So können sie weiter eine Politik im Sinne der Reichen und Mächtigen betreiben, gegen die es wirksame Kritik nur aus einer schmuddeligen und für die Reichen und Mächtigen eher ungefährlichen Ecke gibt. Es kann zwar sein, dass die Unzufriedenheit des einfachen Volkes so groß wird, dass die Rechten an die Macht kommen, aber das hat den großen Konzernen noch selten geschadet. In den USA, wo es passiert ist, „drohen“ ihnen nun noch niedrigere Steuern.

Der Kampf gegen Putin treibt die Gewinne des militärisch-industriellen Komplexes, insbesondere der USA, einschließlich der IT-Branche und der Finanzbranche nach oben.

Der Kampf gegen das CO2 passt perfekt in die finanzialisierte Kontrollagenda des Systems. CO2 als Maßstab für alles, hat große Ähnlichkeit und ergänzt sich hervorragend mit dem Geld als Maßstab für alles. Damit kann die Finanzbranche gut arbeiten, Geld verdienen und Kontrolle ausüben. Er lenkt ab von den vielen Umweltschäden und Zerstörungen, die das globale Wirtschaftssystem unnötigerweise produziert. Er erlaubt es, mit jeder Menge Rechentricks Erfolge vorzutäuschen, wo keine sind – zum Beispiel, indem Elektroautos als emissionsfrei klassifiziert werden und dabei der hochproblematische Ressourcenverbrauch ignoriert wird, den sie mit sich bringen.

So kann ein System mit geringen Änderungen weitergeführt werden, das in jeder Hinsicht auf „immer mehr“ geeicht ist. Die Finanzbranche, die entscheiden darf, wer auf die gesellschaftlichen Ressourcen zugreifen darf, um zu investieren, kann weiter dafür sorgen, dass nur in nennenswertem Maßstab aktiv werden kann, wer „mehr“ verspricht. Eine riesige Werbebranche kann weiter dafür sorgen, dass immer neue, normierte Massenbedürfnisse geweckt werden, die eine globalisierte Industrie in Großserie „befriedigen“ kann.

Ein extremer Patentschutz für diejenigen, die sich gesellschaftliches Wissen durch kleine Hinzufügungen aneignen dürfen, kann weiterhin zusammen mit einem globalen Freihandels- und Finanzsystem dafür sorgen,

  • dass die großen (amerikanischen) Konzerne immer größer und mächtiger werden,
  • dass sich jede technische oder organisatorische Neuerung, mit der sich Geld verdienen lässt, global durchsetzt, unabhängig davon, was ihre gesellschaftlichen Folgen sind,
  • dass sich technische und organisatorische Neuerungen, mit denen die Konzerne kein Geld verdienen, nirgends durchsetzen können, auch wenn sie gut für die Menschen und das Gemeinwesen wären,
  • dass die Spaltung der Gesellschaft in reich und arm und die Konzentration von Geld und Macht in Großkonzernen immer extremer werden,
  • dass der hohe Ressourcenverbrauch durch den extravaganten Lebensstil der Reichen und Superreichen weitergehen kann,
  • dass die Pharmabranche mit ihren überteuerten und oft unnützen bis schädlichen Medikamenten und Impfstoffen die Gesundheitssysteme weiter ausbeuten und extrem hohe Gewinne einfahren kann, ohne die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern,
  • dass der Kampf der Großmächte und ihrer Großkonzerne um die globale Vorherrschaft und um die knapper werdenden Ressourcen der Welt immer heißer wird.

Von all dem lenkt der Kampf gegen Covid, CO2, die AfD und Putin ab oder befördert es sogar noch. Von all dem lenkt es auch ab, wenn der Kampf gegen diejenigen, die zum Kampf gegen Covid, CO2, die AfD und Putin blasen, zum Selbstzweck wird. Jeder wird eine etwas andere oder ganz andere Sichtweise darauf haben, wie das System funktioniert und welche Aspekte für die großen Fehlentwicklungen verantwortlich sind. Aber jeder sollte sich vor der Illusion hüten, dass die Verderbtheit einzelner Parteien, Organisationen oder Exponenten des Systems verantwortlich für Missstände ist und es daher genügt, diese zu bekämpfen, um die Missstände zu beheben.


DIE FRIEDENSTAUBE FLIEGT AUCH IN IHR POSTFACH!

Hier können Sie die Friedenstaube abonnieren und bekommen die Artikel zugesandt, vorerst für alle kostenfrei, wir starten gänzlich ohne Paywall. (Die Bezahlabos fangen erst zu laufen an, wenn ein Monetarisierungskonzept für die Inhalte steht). Sie wollen der Genossenschaft beitreten oder uns unterstützen? Mehr Infos hier oder am Ende des Textes.

Sie schreiben und haben etwas zum Frieden zu sagen?

Melden Sie sich gerne: friedenstaube@pareto.space


Trumps Handelskrieg als Chance

Indem er zum Teil sehr hohe Zölle auf Importe aus dem ganzen Rest der Welt verhängt, legt US-Präsident Donald Trump die Axt an das bisherige hyperglobalisierte System. Noch ist nicht klar, was genau er damit bezweckt, und ob er sich die Zölle bald wegverhandeln lässt. Sollten sie bleiben und zu dauerhaften Gegenmaßnahmen der betroffenen Länder einladen, bietet sich eine Chance, das System so umzugestalten, dass es die Bedürfnisse der Menschen und ihrer lokalen, regionalen und nationalen Gemeinschaften besser befriedigt, anstatt sie zu zwingen, sich an ein System anzupassen, auf das sie keinen Einfluss haben und das ihren Interessen nicht dient.

Wegen dieser möglichen aktuellen Gelegenheit zu echten Veränderungen ist es so wichtig, sich konzentriert Gedanken darüber zu machen, wie man Missstände bei den systemischen Ursachen, statt bei den Symptomen angehen könnte. Für mich bestünden zielführende Gegenmaßnahmen darin, das von Trump de facto aufgekündigte Welthandelsabkommen auch de jure aufzukündigen, und mit ihm eine ganze Reihe weiterer Abkommen, insbesondere das Freihandelsabkommen für Dienstleistungen GATS, und die Anerkennung von US-Patenten und Urheberrechten mindestens so lange auszusetzen, wie die Zölle in Kraft sind. Das würde Konzerne wie Microsoft, Apple und Disney extrem viel Geld kosten und gleichzeitig den hiesigen Firmen und Konsumenten nutzen. Die amerikanischen Digitalkonzerne und Plattformen sollten darüber hinaus endlich genötigt werden, in vernünftigem Umfang Steuern zu zahlen und sich an europäisches Datenschutzrecht zu halten. In einem offenen Handelskrieg ist kein Platz mehr für serviles Verhalten gegenüber Rechtsbrüchen des großen Bruders. Der öffentlichen Hand sollte verboten werden, deren Produkte zu nutzen, wenn es brauchbare freie (open source) Alternativen dazu gibt, was meistens der Fall ist. Und natürlich sollten Käufe von amerikanischen Rüstungsgütern auf Ersatzteile und ähnliches beschränkt werden. Das ist vielleicht nicht realistisch, aber schon die Forderung würde einiges offenlegen.

Das wären Veränderungen auf hoher Ebene, die die nötige Souveränität schaffen würden, um auf nationaler Ebene grundlegendere Reformen des Wirtschaftssystems anzugehen. Auf diese will ich hier nicht näher eingehen, da das den Rahmen sprengen würde. Hier wird auch jeder etwas andere Vorstellungen haben. Worum es mir mit diesem Aufsatz geht, ist die Mahnung an Kritiker der Politik der immer radikaleren Mitte, sich nicht allzu sehr durch Scharmützel mit Leuten ohne echte Entscheidungshoheit ablenken zu lassen, und sich von Leuten und Organisationen wie Trump und der AfD vereinnahmen zu lassen, die nur oberflächlich Systemfeinde sind, mit denen sich das System aber in Wahrheit gut arrangieren kann.

*Transparenzhinweis: Der Autor ist BSW-Mitglied.*


LASSEN SIE DER FRIEDENSTAUBE FLÜGEL WACHSEN!

Hier können Sie die Friedenstaube abonnieren und bekommen die Artikel zugesandt.

Schon jetzt können Sie uns unterstützen:

  • Für 50 CHF/EURO bekommen Sie ein Jahresabo der Friedenstaube.
  • Für 120 CHF/EURO bekommen Sie ein Jahresabo und ein T-Shirt/Hoodie mit der Friedenstaube.
  • Für 500 CHF/EURO werden Sie Förderer und bekommen ein lebenslanges Abo sowie ein T-Shirt/Hoodie mit der Friedenstaube.
  • Ab 1000 CHF werden Sie Genossenschafter der Friedenstaube mit Stimmrecht (und bekommen lebenslanges Abo, T-Shirt/Hoodie).

Für Einzahlungen in CHF (Betreff: Friedenstaube):

1.00

Für Einzahlungen in Euro:

Milosz Matuschek

IBAN DE 53710520500000814137

BYLADEM1TST

Sparkasse Traunstein-Trostberg

Betreff: Friedenstaube

Wenn Sie auf anderem Wege beitragen wollen, schreiben Sie die Friedenstaube an: friedenstaube@pareto.space


Sie sind noch nicht auf Nostr und wollen die volle Erfahrung machen (liken, kommentieren etc.)? Zappen können Sie den Autor auch ohne Nostr-Profil! Erstellen Sie sich einen Account auf Start. Weitere Onboarding-Leitfäden gibt es im Pareto-Wiki.

Das Pareto-Projekt wird eine Schweizer Genossenschaft! Wollen Sie mit dabei sein? Mehr Infos hier und hier (engl.).