Trauma (1)

... damit habe ich nichts zu tun, deswegen interessiert mich das Thema auch nicht ...

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Trauma (1)

…  damit habe ich nichts zu tun, deswegen interessiert mich das Thema auch nicht …

„ … und ich habe davon auch gar keine Ahnung … das ist ein Thema für Ärzte und Therapeuten … Trauma haben andere… ich habe kein Trauma … die Kriegsgeneration hatte ein Trauma … ich hab so etwas nicht … wir sind ja im Frieden aufgewachsen … wir hatten es doch gut … über das Thema wird schon viel zu viel geredet … jeder möchte heute am liebsten traumatisiert sein … ich finde das irgendwie übertrieben … bei jeder Kleinigkeit sagen die Leute heute, sie seien traumatisiert … mir geht es gut … ich habe keine Probleme … was soll denn das überhaupt sein, ein Trauma?“

 

Ein Video über Weltfrieden, und wie man diesen erreichen könne, hat mich vor ein paar Tagen auf die Idee gebracht, eine weitere Reihe von Artikeln zu beginnen. Das wird eine Reihe rund um das Thema  TRAUMA  sein, denn nur Menschen, denen ihr eigenes Trauma (ihr eigener Schmerz) nicht bewusst ist, erlauben, unterstützen oder führen Kriege.    Menschen, denen ihr Trauma hingegen bewusst ist und die nach einiger Zeit wieder Zugang zum gesamten Gefühlsspektrum haben (auch zum eigenen Schmerz), führen keine Kriege mehr, egal wo. Wenn man Schmerz fühlen kann, dann führt man keine Kriege mehr, weil es einen selber schmerzen würde. Trauma spaltet den Schmerz ab. Das ist das Problem. Man ist dann buchstäblich „schmerzfrei“ und kann Dinge tun, zu denen andere gar nicht in der Lage wären. Wie kann man nun über etwas reden, was abgespalten ist, was man nicht spürt, was im Prinzip nicht vorhanden ist? Hier ein Versuch.

Denn Reden über Trauma ist für mich die Voraussetzung für echten Frieden.

 

  • BEWUSSTSEIN UND DAS GANZE GEFÜHLSSPEKTRUM

Wenn man über Frieden redet, dann sollte man also auch über Trauma reden.

BEWUSSTSEIN kann man schaffen, indem man viel über Trauma redet.

Aber es muss echtes Reden sein, aus dem eigenen Herzen.

Und jeder redet ein bisschen anders über (sein) Trauma.

DAS WIEDERERLANGEN DES GESAMTEN GEFÜHLSSPEKTRUMS  ist schon etwas schwieriger zu erreichen als das bloße Bewusstwerden, dass da ein Trauma ist. Aber es ist definitiv möglich, wenn man entschlossen ist, den ganzen langen Weg zu gehen, den es dafür braucht.

NATÜRLICHE SELBSTHEILUNGSKRÄFTE  helfen hierbei ganz entscheidend.

 

  • DAS MUSTER VON TRAUMA

Das Traumathema ist mein Hobby, war mein Beruf. Erst spät habe ich mein eigenes Trauma entdeckt, und noch etwas später konnte ich es bearbeiten und integrieren. Zwischen Entdecken und Bearbeitung lagen 20 Jahre. Wenn man selbst ein Trauma bearbeitet hat, dann schaut man anders auf die Menschen und die Welt. Man erkennt Muster, die andere Menschen theoretisch aus Büchern lernen müssen, innerhalb von Sekunden, weil man das alles am eigenen Leib erfahren hat. Man erkennt Trauma bei anderen. Man sieht, wo und auf welchem Level jemand steht. Man erkennt missbräuchliche Strukturen in der näheren Umgebung. Man erkennt diese Muster im Beruflichen, in Institutionen, in der Politik. Wie im Kleinen, so im Großen. Es ist immer das gleiche Muster. Man kann aber kaum mit jemandem darüber reden, weil niemand etwas mit dem Traumathema zu tun haben möchte. Die meisten Menschen versuchen, es sich nicht anmerken zu lassen, wenn sie irgendwo hautnah Täterstrukturen wahrnehmen. Das ist eine kluge Taktik, die es einem erlaubt zu flüchten oder zumindest nicht selbst zur Zielscheibe des Täters zu werden. Wer den Täter benennt, ist Zielscheibe. Täter scheuen das Licht wie Vampire. Täter scheuen breite Öffentlichkeit, denn dann hört der Spuk sofort auf. Deswegen werden in Deutschland auch Versammlungen und Demonstrationen nicht gern gesehen. In dem Moment, wo sich viele Menschen einig sind, können Repräsentanten keine Lügen mehr aufrechterhalten. Sie verlieren ihre Macht.

Ein Problem der letzten Jahre ist sicherlich, dass viele Menschen die Täterstrukturen zwar erkannt haben, aber an Ort und Stelle den Mund gehalten haben, an Arbeitsplätzen, in Behörden, in Geschäften, in Arztpraxen, in Kindergärten, in Schulen, in Altenheimen. An anderer Stelle wurde dann um so mehr geredet, analysiert, demonstriert oder konsequent geleugnet, bewusst oder unbewusst. Das ist kein Vorwurf, sondern nur eine Beobachtung. Bei einer Grenzüberschreitung den Mund zu halten, ist gelerntes Verhalten. Wie oft und wie lange wir Grenzüberschreitung mit uns machen lassen, sagt etwas darüber aus, wie oft wir Grenzüberschreitungen bereits im Vorfeld hinnehmen mussten und hingenommen haben. Manche Menschen haben Schwierigkeiten, Grenzüberschreitungen überhaupt wahrzunehmen. Andere haben ein Problem damit, das eigene Bedürfnis, was sehr wohl wahrgenommen werden kann, zu äußern bzw. durchzusetzen. Wieder andere haben ein Problem damit, dies angemessen zu äußern bzw. durchzusetzen. Manche Menschen streiten die Grenzüberschreitung generell ab und stellen sich sofort auf die Seite des Täters. Manche Menschen tun dies unbewusst und reflexartig, andere tun dies in arglistiger Weise. Alles das ist gelerntes Verhalten und Ausdruck von vorhergehender Traumatisierung, die meist früh im Leben stattgefunden hat. Menschen erzählen über Verhalten ihre alte Geschichte.

 

  • ZEBRAS,  GIRAFFEN  UND  LÖWEN

Menschen sind mitunter wie Zebras. Wenn sich ein Löwe einer Gruppe Zebras annähert, dann zeigen sich sie Huftiere zunächst scheinbar unbeeindruckt. Sie entfernen sich ganz langsam und unauffällig vom Löwen. Erst, wenn sie einen gewissen Abstand erreicht haben, galoppieren sie und flüchten.

Menschen können aber auch konfrontativ, verteidigend und beschützend sein wie eine Giraffe. Giraffen verteidigen sich mit ihren langen Beinen und den schlagkräftigen Hufen gegen Löwen. Der sensible Hals liegt zu weit oben. Löwen haben wenige Chancen, eine Giraffe zu erlegen.

Löwen leben davon, dass sie die Schwächen in der Abwehr der Gruppe erkennen. Da, wo die Gruppe nicht zusammen hält, greift der Löwe ein einzelnes Tier an.

Bei nicht verarbeitetem Trauma sind die natürlichen Abwehrmechanismen des Einzelnen gegen neue Verletzungen geschwächt, weshalb traumatisierte Menschen leichter erneut Opfer werden als andere. Rote Flaggen werden nicht gesehen oder falsch interpretiert. Die eigene Stärke wird unterschätzt. Menschen lassen sich manipulieren, werden Mitläufer, sehen subjektiv keinen anderen Ausweg. Löwen erlegen am Ende die jungen, geschwächten oder vorverletzten Tiere einer Gruppe.

Befindet sich das Trauma hingegen auf einer bewussten Ebene, wird bearbeitet oder ist gar integriert, dann können Angriffe oder Manipulationsversuche besser abgewehrt werden. Man versucht das „Unmögliche“, weil man weiß, dass das auch eine Strategie ist, die man im Notfall wählen kann oder sogar muss. Man hat diese Erfahrung des Überlebens bereits einmal gemacht und ist dadurch im Glauben an die eigenen Kräfte gestärkt worden. Das Zebra erkennt die Gefahr (wieder) und kann auch mit einer langsamen Gangart im Schutz der bewussten Gruppe flüchten. Kein Löwe greift gern eine ganze Gruppe an. Der Glaube an das Unmögliche ist manchmal wichtiger als das Lauftempo. Eine ganze Gruppe, die an das Unmögliche glaubt, ist kaum zu besiegen.

 

  • GENERATIONENTRAUMA  BEDEUTET  BINDUNGSTRAUMA    (die Bindung zwischen den Generationen ist durch den Krieg/ die Kriege gestört worden)

In Deutschland ist den meisten Menschen ihr Trauma nicht bewusst, so meine Einschätzung. Das sogenannte kollektive Trauma/ Generationentrauma geistert zwar durch die Medien, aber die wenigsten wissen bei näherem Nachfragen, was dies bedeuten soll. Es ist für viele zu einem Synonym für die direkt oder indirekt gemachten Kriegserfahrungen und Entbehrungen der älteren Generation geworden, aber die in Verlust geratenen Gefühle dazu werden nicht thematisiert, nicht erinnert, weil sie abgespalten bleiben, obwohl man das Buch über Generationentrauma im Regal stehen hat.

Deshalb ist auch vielen Menschen der Geburtenjahrgänge ab 1960/1970 heute in Deutschland ihr Bindungstrauma nicht bewusst. Was der Mutter nicht bewusst ist, ist auch der Tochter nicht bewusst. Frauen (und Männer), die direkt den Krieg erlebt haben, und später Kinder bekamen, erzogen diese Kinder mit den Gefühlen, die ihnen zur Verfügung standen. Oftmals war das aber nicht das ganze Gefühlsspektrum. Tiefer Schmerz, tiefe Trauer oder Wut konnten/durften nicht gefühlt werden, weil diese Gefühle im Krieg schockartig abgespalten werden mussten. Angst vor Not und Mangel, entstand durch tatsächlich erlebten Mangel, war später ein ständiger Begleiter, ein Selbstläufer, obwohl die Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg florierte. Mütter und Väter blieben, ohne es zu merken, im Traumamodus hängen. Kinder dieser Mütter, auch ich bin solch ein Kind, durften Wut, Trauer, Schmerz entsprechend auch nicht fühlen. Angst bezog sich später bei meiner Generation weniger auf materiellen Wohlstand bzw. dessen Verlust, sondern mehr darauf, beruflich erfolgreich sein und Wissen anhäufen zu müssen. Versagensängste/Leistungsängste liefen der Angst vor Not und Mangel den Rang ab. Eine Ellenbogengesellschaft entstand. Die Grundangst, irgendetwas nicht zu schaffen, Mangel befürchten zu müssen, blieb. Diese Kinder hatten im Prinzip das gleiche defizitäre Gefühlsleben wie ihre Eltern. Mir persönlich war das lange nicht bewusst. Wenn man Karriere machen wollte, dann musste man sich Ärger verkneifen, Trauer kam nicht gut an oder verminderte die Leistungsfähigkeit und Schmerz hielt man aus. Versagensängste trieben Menschen in die Perfektion und in`s Burnout. Das zugrunde liegende Bindungstrauma ist den meisten Menschen meiner Generation, so meine Beobachtung, nicht bewusst. Und die Probleme, die aus Bindungstrauma entstehen, gelten heute als normal, weil viele Menschen diese (emotionalen) Probleme privat wie beruflich haben. Menschen leben lange allein, haben wechselnde Partner oder ständig Streit innerhalb der stabilen Beziehung. Nicht jeder Streit wird kommuniziert. Manchmal brechen Partnerschaften auch nach 20 Jahren ohne einen Streit „einfach so“ auseinander.

Bindungstrauma wirkt in alle Lebensbereiche, nicht nur in den partnerschaftlichen Bereich.

Bindungstrauma bedeutet nicht, dass die Mutter einen nicht geliebt hat, denn jede Mutter liebt ihr Kind. Bindungstrauma bedeutet, dass Mütter (und Väter) durch den Krieg seelisch so geschockt und verletzt worden sind, dass es ihnen später schwer fiel, sich emotional wieder voll und ganz auf ihr Kind einzulassen, es mit seinen Emotionen sehen und spüren zu können. Die Emotionen des Kindes triggerten das an, was bei den Eltern unter Verschluss gehalten werden musste. Konflikte waren somit vorprogrammiert.

Es gibt viele weitere Arten von Trauma, aber Bindungstrauma ist weit verbreitet, weil Menschen meiner Generation Mütter und Väter hatten, die den Krieg mit all seinen schrecklichen Folgen als Kind miterlebt und in der Regel nicht bewusst aufgearbeitet haben.

 

Das Reden über Bindungstrauma ist somit keine Anklage von Eltern, sondern ein Brechen des Schweigens über stattgefundenes Trauma.

Schweigen ist ein Merkmal von Trauma.

Reden über Trauma bedeutet Bewusstwerdung und letztlich eine Wiederkehr des gesamten Gefühlsspektrums.

Eine Gesellschaft braucht fühlende Menschen.

Reden über Trauma ist Friedensarbeit.

Und Schmerz ist der Preis für dieses Reden.

Und manchmal ist auch Trennung der Preis für das Reden über Trauma.

Am Ende bringt die Bearbeitung von Trauma aber immer die Liebe ins Leben zurück.

Und Liebe hilft anderen bei deren Traumabearbeitung, damit auch sie wieder fühlende Menschen werden.

Liebe ist im Prinzip nur ein anderes Wort für Frieden.

 

  • DEFINITION  VON  TRAUMA  ALS  IMPULS  ZUM  NACHDENKEN

Trauma bedeutet ganz allgemein, zu wenig Gefühl, zu viel Gefühl, die richtigen Gefühle an der falschen Stelle, ständig wechselnde Gefühle, Probleme mit NEIN sagen, Probleme mit JA sagen, immer wieder das nehmen, was man kennt, um dann wieder enttäuscht zu sein, Kopf und Herz nicht im Einklang zu haben, Wiederholungszwang, Dinge vom Kopf her verstehen, aber nicht fühlen können, das eigene Problem nicht sehen können, aber immer das Problem beim anderen sehen können, Angst vor Erfolg, Angst vorm Scheitern, Schuldgefühle, obwohl man nichts falsch gemacht hat, fehlende Schuldgefühle, obwohl sie angebracht wären, Scham für das Sosein, wie man ist, andere zu beschämen, das unbewusst mit anderen zu machen, was einem selbst zugefügt wurde, Unsicherheit über den eigenen Wert bewusst zu haben oder zu leugnen, zu kleine oder zu große Erwartungen an sich selbst oder an andere zu stellen, Versuche, die Unsicherheit über den eigenen Wert dysfunktional zu kompensieren, Angst vor Ablehnung und deswegen vorsichtshalber andere abzulehnen, Angst davor, gemocht zu werden, weil das irgendwann auch wieder aufhören könnte, fehlende Trennungskompetenz, ewig an jemandem festzuhalten, sich alles gefallen zu lassen, oder den anderen kontrollieren zu wollen, unersetzlich sein zu wollen, Probleme, Komplimente anzunehmen, eigene Bedürfnisse zu äußern oder auch mal deutlich durchzusetzen, wenn dies angebracht ist, Probleme, Kritik zu äußern, Probleme, negative oder positive Gefühle überhaupt zeigen zu können, Probleme, selber sichtbar zu sein, weil das Verantwortungsübernahme bedeutet, Probleme, anderen Anerkennung und Lob zu schenken, weil der andere dann zu stark für mich werden könnte, mich verlassen könnte, Probleme, andere mit ihren Gefühlen wahrzunehmen und auszuhalten, weil das eigene verborgene Wünsche und Bedürfnisse triggert, Probleme, die eigenen Gefühle komplett wahrzunehmen und auszuhalten, weil sich das wie Sterben anfühlt. Die Liste ist unendlich. Es ist immer ein Zuviel oder ein Zuwenig, und das hochgerechnet mit sich allein und mit allen Interaktionspartnern an 365 Tagen im Jahr.

 

Reden über Trauma ist die Voraussetzung für wirklich friedliche Gefühle.

 

 

 

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