Κrіеɡ іѕt еіnе Ԍаunеrеі: Ⅾеr Рublіzіѕt Ϻаthіаѕ Βröсkеrѕ еrzӓhlt‚ ԝіе іhn ѕеіnе Ϝаⅿіlіеnɡеѕсhісhtе zuⅿ Krіеɡѕⅾіеnѕtⅴеrԝеіɡеrеr ⅿасhtе.
Autor: Mathias Bröckers. Dieser Beitrag wurde mit dem Pareto-Client geschrieben. Sie finden alle Texte der Friedenstaube und weitere Texte zum Thema Frieden hier.
Mein Vater Walter Bröckers (1922-1993) wurde mit 18 Jahren zur Marine eingezogen. Als ich ihn mit jugendlich erwachtem kritischen Geist fragte, wie viele von den 20 Millionen ermordeten Russen er eigentlich auf dem Gewissen hätte, meinte er: „Ach, ich hab’ den ganze Krieg eigentlich nur Kartoffeln geschält.“
“Die lassen uns hier verrecken…”
Als Gefreiter der Marine war er von 1942-1944 auf der Krim, in der Hafenkommandantur 17 in Sewastopol, stationiert und auf einem Minensuchboot im Schwarzen Meer unterwegs. Ihm war die Kombüse zugeteilt worden, wo er für die 11-köpfige Besatzung kochte, bis im Frühjahr 1944 ihr Schiff von einem britischen Bomber getroffen wurde und sank. Die Besatzung, die noch einen SOS-Funkspruch und ihren Standort nicht weit von der Küste durchgegeben hatte, wartete auf Wrackteilen ihres Bootes schwimmend auf Rettung – die aber nicht kam. Nach vielen Stunden sagte Walter zu einem Kameraden: „Die lassen uns hier verrecken, wir müssen zur Küste schwimmen.“
Nur weil sie das tatsächlich schafften, konnte ich zehn Jahre später auf die Welt kommen und mir als kleiner Junge den wandernden Bombensplitter in seinem Oberschenkel angucken. Dass der Kommandierende des Hafens, zu dem sie sich geschleppt hatten, dann (wegen der britischen Lufthoheit) verweigerte, ein Rettungsboot zu den havarierten Kameraden zu entsenden, machte aus dem damals 22-jährigen Walter Bröckers einen Kriegsgegner und Anti-Militaristen. Und es bescherte ihm, was man das „Trauma des Überlebenden“ nennt, der sich unterbewusst schuldig fühlt, weil er seine Kameraden nicht retten konnte.
Als mich dann die Bilder aus dem Krieg in Vietnam mit der für mich nicht nachvollziehbaren Begründung, dass „wir“ ein Volk von Reisbauern in Asien bombardieren müssen, um Deutschland vor dem „Kommunismus“ zu retten, zu dem Entschluss brachten, den Kriegsdienst zu verweigern, unterstützte er dieses Vorhaben. Und war damit in einer Minderheit, denn die meisten Väter meiner Freunde fanden ein Vierteljahrhundert nach Kriegsende immer noch (oder schon wieder?), dass militärische Zucht und Ordnung für langhaarige Studenten und „Gammler” genau das Richtige sei.
Krieg ist eine Gaunerei
Mir hingegen erschien die Kriegsdienstverweigerung immer richtiger, je mehr ich Politik und Geschichte studierte und feststellte, dass Kriege grundsätzlich nicht aus vernünftigen, „gerechten“ Gründen begonnen werden, sondern es immer darum geht, Macht- und Geschäftsinteressen mit Gewalt durchzusetzen. Das veranlasste 1935 den damals höchstdekorierten Soldaten der Vereinigten Staaten, General Smedley D. Butler (1881–1940) zu der Streitschrift „Krieg ist eine Gaunerei“ („War Is a Racket“) und der bemerkenswerten Feststellung:
„Es gibt keine Gaunerei, die die militärische Bande nicht auf Lager hat. Sie hat ihre ›Spitzel‹, die mit dem Finger auf die Feinde zeigen, sie hat ihre ›Muskelmänner‹ zur Vernichtung der Feinde, sie hat ein ›Gehirn‹, das die Kriegsvorbereitungen trifft, und einen ›Big Boss‹, den supranationalistischen Kapitalismus.“
Hohe Militärs, die ihr Handwerk derart schonungslos beschreiben, sind selten, doch die Chronologie der Kriege, die von den Nachfolgern Butlers in der Rolle des Muskelmanns bis auf den heutigen Tag geführt werden, ist eindeutig. Und die Vereinigten Staaten sind aktuell in dieser Hinsicht nicht die einzige, aber die mit Abstand eifrigste und erfolgreichste Nation, mit Feindbildern und Angstmache die Betrugsmasche Krieg am Laufen zu halten. Der permanente Krieg treibt die größte Profitmaschine des Landes an – Nervi belli pecunia infinita, „die Lebenskräfte des Krieges sind unerschöpfliche Geldmittel“, wusste schon Cicero.
Mit diesen Mitteln und Medien, die mühelos immer neue Feindbilder und Bedrohungs-Szenarien schaffen können, ist diese Maschine zu einer Art perpetuum mobile geworden. Das sich, um permanente Angriffskriege zu legitimieren, eine exzellente Erzählung zurechtgelegt hat, nach der andere Länder nur deshalb bombardiert werden, um ihnen „Freiheit“ und „Demokratie“ zu bringen – oder indem wir den Angriff zum prophylaktischen Verteidigungskrieg erklären. Weil Mobilisierung zur Verteidigung gegen einen Angreifer, der nicht angreift, schwierig ist, muss dazu sein aggressives Potenzial beschworen und die von ihm ausgehende Gefahr in schrecklichen Farben ausgemalt werden. Hier kommt dann die Propaganda mit ihren Dämonisierungen ins Spiel: Barbaren, Hunnen, Achse des Bösen, Hitler (wahlweise auch Assad, Gaddafi, Putin etc. pp.) – lauter gefährliche Teufel, gegen die man sich „natürlich“ verteidigen müsse.
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Kategorischer Imperativ gegen Krieg
Bei meiner Verhandlung zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer wurde damals gefragt, was ich denn tun würde, wenn ich mit meiner Freundin im Wald bedroht werde, ob ich mich nicht verteidigen würde. Weil das zu den Standardfragen gehörte, auf die ich dank einem Handbuch für die Kriegsdienstverweigerung vorbereitet war, hatte ich darauf eine unverfängliche Antwort parat und mir aus taktischen Gründen auch den Hinweis auf den Helden meiner Jugend, Muhamad Ali, verkniffen.
Der hatte den Einzug zum Kriegsdienst in Vietnam mit dem Satz verweigert: „Kein Vietnamese hat mich je Nigger genannt“. Auch mir hatten Vietnamesen, Chinesen, Russen, Araber usw. nie etwas Böses getan und irgendeinen Grund geliefert, mich bedroht zu fühlen und für einen Kampf zu rüsten. Stattdessen hatte mich Donovans „Universal Soldier“ überzeugt – „Without him all that killing can‘t go on…“ – dass es das einzig Vernünftige ist, bei diesem grausamen Spiel nicht mit zu machen. Und dass es dem berühmten kategorischen Imperativ entspricht, von dem ich mit 17 schon gehört hatte: Wenn alle so handeln wie ich, gibt‘s keinen Krieg mehr.
Wer das naiv oder „Vulgärpazifismus“ (R.Habeck) nennt, irrt sich, denn es geht gar nicht anders. Solange sich Menschen „kriegstüchtig“ machen lassen, solange wird es Kriege geben, solange sie sich Angst machen lassen, dass ein Teufel sie bedroht, solange werden sie „Verteidigungsbereitschaft“ zeigen, und wenn er nicht kommt – was das Geschäftsmodell Krieg ruiniert – werden sie außer Landes geschickt, um ihn vorsorglich vor Ort zu erledigen. Und solange sie dieses grausame Spiel nicht durchschauen und aussteigen, solange wird es immer weitergehen…
Und wenn jetzt, wie damals bei der KdV-Verhandlung, ein „Ja, aber…?“ und die Frage folgt, was denn mit meinem Haus, Hof, Vorgarten ist, wenn „der Russe kommt“, kann ich nur mit der Schulter zucken. Solange ich nicht mit Hass und Raketen auf ihn ziele, solange wird er mich in Ruhe lassen. Wir brauchen kein pseudo-prophylaktisches „Verteidigungsbündins“, keine militärische Allianz, sondern Blockfreiheit und Neutralität. Und eine realistische Friedensperspektive für die kommende multipolare Welt. Liebe deinen Nachbarn, aber reiß den Zaun nicht ein!
Ich bin froh, dass mein Vater die Hetze zum Krieg gegen Russland, die derzeit aus allen Kanälen dröhnt, nicht mehr erleben musste. Er wäre verzweifelt, auch an der Partei, der CDU, die er immer gewählt hatte. Als ihm Ende der 1980er Jahre ein Freund aus der Landesregierung telefonisch mitteilte, dass er das „Bundesverdienstkreuz am Bande“ für seine Verdienste als Journalist bekommen sollte, hatte er geantwortet, dass ihn das „nur am Rande“ interessiert und man sich Orden doch „an den Hut stecken könnte”. Was am anderen Ende der Leitung als Unzufriedenheit mit dem Grad der Auszeichnung interpretiert wurde. Einige Tage später ein weiterer Anruf: „Du, Walter, wir haben das klargemacht, du kriegst das `Bundesverdienstkreuz Erster Klasse`!“ Welch selbiges ich geerbt habe. Er hat sich nichts daraus gemacht. Ehrgeiz war nie sein Ding und stolz war er allenfalls darauf, es in fünf Jahren Krieg mit Kartoffelschälen nur zum Obergefreiten der Marine gebracht zu haben.
Oder, um es mit einem seiner Lieblingsphilosophen Blaise Pascal zu sagen, dessen „Gedanken“ er 1947 gelesen hat und deren zerfledderte Ausgabe ich ebenfalls hüte:
„Alles Unheil dieser Welt kommt aus der Ursache, dass die Menschen nicht still in ihrer Kammer sitzen können.“
Mathias Bröckers, Jahrgang 1954, ist Autor und freier Journalist. Er gehörte zur Gründergeneration der taz, war dort bis 1991 Kultur- und Wissenschaftsredakteur und veröffentlichte seit 1980 rund 600 Beiträge für verschiedene Tageszeitungen, Wochen- und Monatszeitschriften, vor allem in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Politik. Neben seiner weiteren Tätigkeit als Rundfunkautor veröffentlichte Mathias Bröckers zahlreiche Bücher. Besonders bekannt wurden seine internationalen Bestseller „Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf“ (1993), „Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9.“ (2002) und „Wir sind immer die Guten – Ansichten eines Putinverstehers“ (2016, mit Paul Schreyer) sowie “Mythos 9/11 - Die Bilanz eines Jahrhundertverbrechens” (2021). Mathias Bröckers lebt in Berlin und Zürich und bloggt auf broeckers.com.
Sein aktuelles Buch “Inspiration, Konspiration, Evolution – Gesammelte Essays und Berichte aus dem Überall” – hier im Handel
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