Über kaum etwas wird seit etwa zwei Jahren mehr diskutiert als über KI und deren Gefahren und Anwendungsmöglichkeiten. Es gibt Menschen, die begeistert die neuen Möglichkeiten nutzen, andere, die zögerlich ein paar Fragen stellen und weitere, die auf totale Ablehnung setzen. In diesem Beitrag wird eine konkrete Nutzung einer KI (claude.ai) vorgestellt, die zeigen soll, welche Impulse aus solch einem Dialog entstehen können.
Ausgangspunkt ist de Beobachtung, dass die Spaltung unserer Gesellschaft (und fast aller anderen, vor allem in den westlich orientierten Ländern) Ausmaße erreicht hat, die vor etwa zehn Jahren noch unvorstellbar waren. Zu vielen Themen ist eine Diskussion auf halbwegs sachlicher Ebene nicht mehr möglich, Menschen werden eines einzigen «falschen» Satzes wegen aus ihren Gruppen (oder Jobs) geworfen, selbst im Familienkreis hängt spätestens seit Covid der Haussegen schief.
Es gibt unzählige Analysen und Vermutungen, wie es so weit kommen konnte. Doch all diesen Überlegungen liegt wohl eine ganz bestimmte menschliche Eigenschaft zu Grunde, die erst die Wirksamkeit der Spaltungsbemühungen erfolgreich macht: es handelt sich um das sehr starke Motiv, die eigene Weltsicht (Weltanschauung) zu verteidigen. Genau dazu hat der Autor die KI befragt. Aber lesen Sie selbst!
Mein Dialog mit claude.ai
Wenn die Menschen nicht mehr ihre Weltsicht verteidigen würden, sondern auf abweichende Meinungen und Informationen mit Offenheit und Neugier reagieren würden: wie würde sich die Welt verändern?
Eine interessante Frage, die zum Nachdenken über grundlegende Aspekte menschlicher Interaktion anregt.
Wenn Menschen ihre Weltsicht weniger als feste Burg und mehr als work in progress betrachten würden, könnte dies mehrere positive Veränderungen bewirken:
Der Diskurs würde sich fundamental wandeln - weg vom “Recht haben wollen” hin zu einem gemeinsamen Erkenntnisprozess. Gespräche würden nicht mehr darauf abzielen, die eigene Position zu verteidigen, sondern darauf, voneinander zu lernen und die Perspektiven zu erweitern.
Dies könnte zu einer deutlich schnelleren gesellschaftlichen Entwicklung führen. Wenn neue Erkenntnisse und Ideen nicht erst gegen massive Widerstände ankämpfen müssten, könnten Innovationen und Verbesserungen schneller umgesetzt werden.
Auch auf persönlicher Ebene würde dies Veränderungen bewirken: Weniger mentale Energie würde für die Verteidigung des eigenen Weltbildes aufgewendet. Diese Energie stünde stattdessen für Kreativität und persönliches Wachstum zur Verfügung.
Gleichzeitig würde dies nicht bedeuten, dass Menschen keine eigenen Überzeugungen mehr hätten. Der Unterschied wäre, dass diese Überzeugungen als vorläufig und entwicklungsfähig gesehen würden - nicht als unveränderliche Wahrheiten, die verteidigt werden müssen.
Ausgehend von dieser Annahme: wie würde es sich auf den Wunsch nach Konformität auswirken?
Ah, eine sehr aufschlussreiche Folgefrage! Der Wunsch nach Konformität würde vermutlich deutlich abnehmen, da er eng mit der Verteidigung bestehender Weltbilder verknüpft ist.
Wenn Menschen offener für unterschiedliche Perspektiven sind, würden Abweichungen von der Norm nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen, sondern als Bereicherung. Die soziale Dynamik würde sich von “alle müssen gleich sein” zu “Unterschiede machen uns stärker” verschieben.
Dies könnte zu einer Art “aktiver Diversität” führen: Menschen würden gezielt nach Unterschieden suchen, weil sie darin Chancen für neue Erkenntnisse sehen. Das wäre ein fundamentaler Unterschied zur heutigen “passiven Toleranz”, bei der Unterschiede zwar akzeptiert, aber nicht unbedingt als wertvoll erachtet werden.
Der gesellschaftliche Druck, sich anzupassen, würde nachlassen. Stattdessen könnte ein neuer sozialer Wert entstehen: die Fähigkeit, authentisch anders zu sein und dabei gleichzeitig offen für Dialog und Austausch zu bleiben.
Wie würde sich das auf das politische System auswirken?
Diese Frage führt zu einem faszinierenden Gedankenexperiment über die Transformation politischer Systeme.
Die klassische Parteipolitik, die stark auf Abgrenzung und Konfrontation basiert, würde vermutlich an Bedeutung verlieren. Stattdessen könnte sich eine stärker lösungsorientierte politische Kultur entwickeln, in der verschiedene Perspektiven als Ressource für bessere Entscheidungen genutzt werden.
Der politische Diskurs würde sich grundlegend wandeln: Weg von ideologischen Grabenkämpfen, hin zu einer evidenzbasierten, pragmatischen Herangehensweise. Politische Debatten würden weniger emotional und mehr sachbezogen geführt, da niemand mehr sein “Lager” verteidigen müsste.
Interessanterweise könnte dies zu einer Renaissance direktdemokratischer Elemente führen. Wenn Menschen offener für neue Informationen und Perspektiven sind, werden Volksabstimmungen und Bürgerbeteiligung produktiver - sie würden von Instrumenten der Mehrheitsdurchsetzung zu echten Deliberationsprozessen.
Die Rolle von Politikern würde sich wandeln: Weg vom “Meinungsführer”, hin zum “Prozessgestalter”, der verschiedene Perspektiven zusammenbringt und moderiert. Führungsstärke würde neu definiert - nicht als Fähigkeit, die eigene Position durchzusetzen, sondern als Kompetenz, kollektive Intelligenz zu aktivieren.
Das könnte auch zu flexibleren politischen Strukturen führen. Statt starrer Parteiapparate könnten sich themenbezogene, temporäre Koalitionen bilden, die sich nach Lösung eines Problems wieder auflösen.
Unter der Annahme, dass Politik heute vor allem durch Machtinteressen sehr mächtiger Gruppen bestimmt wird: wie würden diese Eliten auf eine solche Entwicklung reagieren?
Eine sehr scharfsinnige Frage, die auf den Kern der Realisierbarkeit solcher Veränderungen zielt.
Etablierte Machteliten würden eine solche Entwicklung vermutlich als existenzielle Bedrohung wahrnehmen. Ihre Macht basiert ja wesentlich darauf, dass Menschen in festen Denkmustern und Lagern verharren und sich manipulieren lassen. Eine Gesellschaft offener, kritisch denkender Menschen wäre deutlich schwieriger zu kontrollieren.
Die wahrscheinliche Reaktion wäre der Versuch, diese Entwicklung zu unterdrücken oder umzulenken. Denkbare Strategien wären:
- Die Verstärkung von Narrativen, die Angst und Spaltung fördern
- Die Überflutung mit widersprüchlichen Informationen, um Verwirrung zu stiften
- Die Vereinnahmung und Umdeutung der Bewegung (“Offenheit ja, aber…”)
- Die gezielte Diskreditierung von Personen und Gruppen, die echten Dialog fördern
Allerdings würde eine wachsende geistige Unabhängigkeit der Menschen diese Strategien zunehmend unwirksam machen. Die Eliten stünden vor einem Dilemma: Je mehr sie versuchen würden, die Entwicklung zu kontrollieren, desto mehr würden sie ihre schwindende Macht demonstrieren.
Dies könnte zu einer Phase intensiver gesellschaftlicher Auseinandersetzungen führen, in der die alten Machstrukturen versuchen würden, sich neu zu erfinden oder ihre Position mit allen Mitteln zu verteidigen.
Fazit und Ausblick
Soweit der Dialog mit claude.ai. Was müsste geschehen, was könnte jeder Einzelne dazu beitragen, dass den spalterischen Machtinteressen von Politik, Medien und Lobbygruppen mit Offenheit und Nicht-Ausgrenzung entgegengewirkt wird? Wie wäre es beispielsweise mit regelmäßigen Runden, in welchen die Grundlagen von Offenheit, Neugier in Abgrenzung zu den Regeln von Macht und Manipulation eingeübt würden? Im Realversuch, sozusagen. Jedoch klar unterschieden von den allseits bekannten destruktiven Streitereien in dem von Beginn an eine Art Meta-Ebene etabliert wird, auf die man sich - sollte es hitzig werden - zurückziehen kann. Um sodann das aktuell Erlebte quasi aus einem gewissen Abstand heraus zu beobachten.
Wer Lust hat, sich an solch einer Ideenfindung zu beteiligen, gerne Nachricht an kontakt@thomas-eisinger.de