Die Tether-Opfer-Umkehr

Das bald wichtigste Unternehmen der Welt, das kaum einer kennt: Wie der einst obskure Stablecoin-Anbieter Tether zum wichtigsten Finanzier der USA wurde

Bitcoin, Gold and Land are the hedge against incoming darker times.

Paolo Ardoino, 9.9.2025

Liebe Abonnenten,

Lugano am gleichnamigen See ist ein unwirklich schöner Ort, wo das Schweizer Tessin an Italien grenzt. Der Herbst hier dauert länger und ist farbenfroher als nördlich der Alpen. Hier enthüllten am 25. Oktober 2024 Bürgermeister Michele Foletti gemeinsam mit Paolo Ardoino, der wenige Monate zuvor zum CEO des Unternehmens Tether aufgestiegen war, eine Skulptur, die Bitcoin-Gründer Satoshi Nakamoto zeigt. Das Werk der Künstlerin Valentina Picozzi zeigt einen filigran entrückten Menschen mit Kapuze und Laptop, der auf den Luganer See blickt. Je nach Blickwinkel scheint die Skulptur zu verschwinden oder plötzlich völlig präsent zu sein.

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Vor einigen Wochen, genauer gesagt am 1. August, wurde das Kunstwerk wohl Opfer vandalisierender Jugendlicher. Die Polizei fand stark beschädigte Teile der Statue wenige Tage später im Luganersee. Ardoino sammelte Unterschriften und warb in der Bitcoin-Community umgehend für Spenden, um das Kunstwerk wieder zu errichten.

Ardoino ist ein Wohltäter, mit mittlerweile einem Privatvermögen von knapp zehn Milliarden US-Dollar. Der 1984 in Ligurien geborene Programmierer gilt damit als einer der reichsten Menschen Italiens - und mächtigsten: Nur wenige Wochen zuvor, am 18. Juli, war Ardoino im Weißen Haus zu Gast gewesen. US-Präsident Trump lobte den Italiener persönlich für die Verdienste seines Unternehmens, Tether, für die amerikanische Wirtschaft. Vor wenigen Tagen gab Tether zudem bekannt, künftig in Goldminen investieren zu wollen - das dem Sprachrohr des wirtschaftlichen Establishments, der Financial Times, eine Meldung auf der Titelseite wert war.

Zehn Jahre zuvor war genau diese Firma eine obskure Klitsche, die von Hongkong oder den Jungfern-Inseln aus operierte, und deren Gründungsmitglieder alle eine zwielichtige, wenn nicht kriminelle, Vergangenheit hatten.

Der Grund: Tether steht für einen gigantischen Dollar-Recycling-Prozess, der noch immer kaum jemanden außerhalb des amerikanischen Finanzministeriums bewusst ist. Tether soll dabei helfen, die USA umzuschulden.

Worum geht es?

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Am 6. Oktober 2014 wurde der erste Tether-Token ausgegeben. Das Kürzel USDT steht für einen Stablecoin - ein auf der Blockchain gespiegelter US-Dollar. Dieser Blockchain-Dollar ist wertstabil, da er mit einem „echten“ Dollar gedeckt ist. Zur Spekulation eignet sich ein solcher Stablecoin also kaum: Sein Wert schwankt ja nicht. Wozu dann überhaupt solche Produkte? In diesen Jahren beginnt der Handel mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen langsam an Fahrt aufzunehmen. Es wird schneller: Daytrader beginnen mehrmals täglich, Bitcoin zu kaufen und zu verkaufen. Auszahlungen in US-Dollar auf Bankkonten dauern oft mehrere Tage, und Krypto-Börsen haben keine Banklizenz, sprich ihnen fehlt die Erlaubnis, US-Dollar für längere Zeit verwahren zu dürfen. Dieses Problem lösen Stablecoins: Trader kaufen bei Tether USDT und transferieren sie auf Kryptobörsen - die nämlich dürfen zwar keine Dollar, aber Tether-Token verwahren. Die Trader können jetzt also schnell Positionen eröffnen und schließen, ohne dabei auf Banküberweisungen angewiesen zu sein. Man kann sich das wie in einem Casino vorstellen: Beim Betreten tauscht man Geld gegen Chips, beim Verlassen tauscht man die Chips wieder zurück.

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Im Jahr 2015 steigt die Umlaufmenge dieser USDT oder Tether-Token auf 950.000 US-Dollar. Anfang 2017 aber sind es schon zehn Millionen. In diesem Jahr beginnt auch der Bitcoin-Bullrun, der den Kurs von 1.000 $ auf 18.000 $ im Dezember 2017 treibt. Bitcoin taucht jetzt erstmals in Leitmedien auf, Privatanleger springen auf die Rally auf, immer mehr Trader fühlen sich von der Volatilität der Kryptowährungen angezogen. Im September 2018 ist das Volumen von USDT auf 2,8 Milliarden US-Dollar gestiegen.

Offshore und abwegig

Tether steht jetzt immer häufiger in der Kritik: Das Unternehmen ist kaum zu verorten. Registriert ist Tether auf den Britischen Jungfern-Inseln. Die Chefs aber operieren von Hongkong aus. Alles ist immer irgendwie offshore und abwegig. Und deswegen sieht sich das Unternehmen auch nicht dazu gezwungen, zu veröffentlichen, was es mit seinen Einlagen macht. Zur Erklärung: 2021 sind 60 Milliarden USDT im Umlauf. Das bedeutet, dass das Unternehmen irgendwo 60 Milliarden US-Dollar hinterlegt haben muss. Aber wo? Das Unternehmen schweigt sich aus, oder veröffentlicht kaum belastbare “Attestations”. Oder ist das Geld gar nicht da? Hat Tether am Ende USDT ausgegeben, ohne jemals USD bekommen zu haben? Die Fragen werden nie geklärt. Aber für Tether spricht, dass es den Bärenmarkt 2021 und 2022 überlebt hat. Wären USDT nicht gedeckt gewesen, wäre es wahrscheinlich in dieser Zeit aufgefallen. (Die Logik: Bitcoin fällt -> das Tradinginteresse nimmt ab -> das Casino leert sich, Chips werden wieder in echtes Geld zurückgetauscht.) 2023 räumte Giancarlo Devasini den Posten als CEO für Ardoino. Devasini und Mitgründer Jan Ludovicus van der Velde hatten sich ohnehin stets im Hintergrund gehalten.

Die große Wende für Tether aber kommt im Jahr 2025 mit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Sowohl Handelsminister Howard Lutnick, die Trump-Söhne als auch Finanzminister Scott Bessent pflegen jetzt gute Beziehungen zu Tether. Der Grund: Tether ist mittlerweile zu einem der größten Käufer von US-Staatsanleihen geworden. Das Marktvolumen von Stablecoins insgesamt liegt mittlerweile bei 250 Milliarden US-Dollar, davon kommt mehr als die Hälfte von Tether. Nochmals: Wenn 250 Milliarden USDT im Cryptoversum herumschwirren, bedeutet dies: Tether und andere Unternehmen sitzen auf 250 Milliarden US-Dollar. Schon Ende 2024 waren das mehr als ein Prozent der gesamten Geldmenge der USA. Was machen sie mit dem Geld?

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Sie springen dort ein, wo China und Russland abgesprungen sind: Beim Kauf von US-Staatsanleihen. Die Dollar-Recyling-Maschine der alten Welt funktionierte wie folgt: Russland verkauft Rohstoffe und China verarbeitete Waren in die USA. Die Vereinigten Staaten haben kaum Waren als Gegenleistung anzubieten. Sie bezahlen mit US-Dollar. Was macht Peking mit hunderten Milliarden von Dollar? Sie kauften damit US-Staatsanleihen, die immerhin Zinsen bieten. Spätestens ab 2014 mit der Besetzung der Krim stockt diese Maschine. Der US-Regierung fehlen nun die Käufer, um ihr Defizit zu finanzieren. Das treibt die Zinsen in die Höhe.

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Die Lösung: Tether legt seine Reserven in Staatsanleihen an. Ein scheinbar genialer Kreislauf: Die US-Regierung macht eine cryptofreundliche Politik, was zu steigenden Kursen von Bitcoin & Co führt. Das zieht noch mehr Trader an, das Volumen von Stablecoins steigt. Die hinterlegten US-Dollar investiert Tether in US-Staatsanleihen. Das ist der Grund, weshalb Trump im Weißen Haus Paolo Ardoino persönlich erwähnte und für seine Verdienste lobte.

Eine einfache Rechnung: Die Marktkapitalisierung aller Stablecoins liegt derzeit bei rund 250 Milliarden, das sind circa 7 Prozent des gesamten Kryptomarktes. Wollte man China als Käufer von US-Schulden komplett ersetzen, wäre eine Verdreifachung des Stablecoin-Volumens von 750 Milliarden US-Dollar ausreichend. Vorausgesetzt, alle Stablecoin-Anbieter investieren alle ihre Einlagen in US-Schulden. Aber auch Tether diversifiziert:

Vor wenigen Tagen gab das Unternehmen bekannt, jetzt auch in Goldminen zu investieren, zeigt: Man ist sich durchaus bewusst, im Fiat-Endgame angekommen zu sein. Schon vor einigen Monaten wurde bekannt, dass Tether auch Goldbarren im Wert von acht Milliarden US-Dollar in einem Schweizer Tresor lagern hat. Das macht das einst obskure Unternehmen zu einem der größten privaten Halter von physischen Gold.

Während also Ardoino der amerikanischen Regierung hilft, ihr Schuldenproblem noch etwas weiter in die Zukunft zu vertagen, werden Teile der Reserven in „hard assets“, Gold und Bitcoin investiert. Beide Anlageklassen sind die Ventile für die aktuell stattfindende Geldentwertung.


Wie funktionieren Stablecoins - und noch wichtiger: Wie kann man von dem kometenhaften Aufstieg dieser Unternehmen profitieren? Antworten gibt dieser Deep Dive:

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